· 

Erziehung statt nur Begleitung

Erziehung statt nur Begleitung

 

Ich werde oft gefragt, warum ich meine Beratung und Homepage „Erziehung aus dem Herzen“ nenne. Erziehung sagt man doch nicht mehr, wir wollen doch eine Beziehung zu unseren Kindern haben. Ich finde, dass man das eine mit dem anderen nicht gleichsetzen kann. Der Slogan „Beziehung statt Erziehung“ macht in meinen Augen nicht wirklich Sinn.

 

Ich habe daher ganz bewusst dieses Wort gewählt und nehme die Challenge auf, dessen Bedeutung in unserem kollektiven Bewusstsein zu verändern. Ich habe in meinen Beratungen so viele Mütter, die mir sagen, dass sie sich nicht trauen, ihre Kinder zu erziehen, aus Angst, ihnen damit zu schaden. Aber das Familienleben kann mit dieser Haltung für alle extrem anstrengend werden.

 

Wenn ich ihnen dann meine Definition von Erziehung erkläre, wird ihnen sofort klar, dass sie keine Angst vor Schaden zu haben brauchen. Sie können damit ihre Haltung ändern, sind in der Lage ihre Verantwortung zu übernehmen und kommen so in ihre Kraft und Klarheit.

 

Der Begriff Erziehung impliziert bei vielen, dass Eltern ihre Kinder bestrafen, sie nach eigenen Vorstellungen formen und zu einem bestimmten Verhalten zwingen wollen. Aber eigentlich ist Erziehung nur ein Oberbegriff für all das, was in der Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern passiert. Dabei ist nicht nur das zielgerichtete, bewusste Verhalten gemeint, sondern vor allem auch all die nebensächlichen, unbewussten Worte, Taten und Haltungen in der Beziehung zwischen Eltern und Kind.

 

Ich verstehe Erziehung zudem als etwas Passives, also etwas, das entsteht und nur zu einem gewissen Grad von Erwachsenen beeinfluss- und steuerbar ist. Denn es bezeichnet eben nur zum Teil das aktive Verhalten eines Erwachsenen, sondern vielmehr den Entwicklungsprozess, der im Kind stattfindet. Also stimmt auch der Satz „Eltern erziehen ihr Kind“ für mich nicht so richtig. „Eltern beeinflussen ihr Kind“, wäre für mich stimmiger, mit dem Zusatz „mal bewusster, mal unbewusster aber immer mit unsicherem Ausgang“.

 

Erziehung bedeutet für mich daher „Das Ergebnis des Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern“ und damit ist die ganze Fülle an Interaktionen, Absichten und Unterlassungen im Alltag gemeint. Wobei natürlich der Begriff „Eltern“ heute breiter gefasst sein muss als nur die biologischen Eltern, z.B. Stiefeltern, Adoptiveltern, Großeltern etc. (Und die Aufgabe von Erzieherinnen lasse ich jetzt bewusst aus, denn ihre Rolle verstehe ich nochmal etwas anders.)

 

Natürlich ist Erziehung auch Beziehung, anders ist es nicht möglich. Natürlich ist Erziehung auch Begleitung, auch das ist anders nicht möglich. Das ist auch keine neue Erfindung, sondern das war es schon immer. Aber nur weil früher die Rolle der Erwachsenen in diesem Gefüge falsch verstanden und missbraucht wurde, heißt es nicht, dass wir das ganze Wort Erziehung ablehnen müssen.

 

Das wäre sehr schade, denn er beinhaltet etwas Exklusives und Einzigartiges, das nur Eltern erleben dürfen – und Erziehungsbeauftragte, was nebenbei bemerkt einen schriftlichen Vertrag oder einen gerichtlichen Entschluss voraussetzt. So exklusiv ist Erziehung!

 

Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind meine Mutter fragte, ob ich sie mit Vornamen ansprechen dürfe statt ‚Mama‘ zu sagen. Sie verneinte und sagte: „Alle Menschen können mich mit meinem Namen ansprechen, aber nur du und dein Bruder können Mama zu mir sagen. Das ist etwas Besonderes.“

 

Genauso ist Erziehung etwas Besonderes und verdeutlicht den besonderen Charakter dieser Beziehung. Ich möchte nicht nur eine Beziehung zu meinen Kindern haben, ich möchte sie nicht nur begleiten. Ich möchte den ganzen Zauber der Elternschaft genießen und Erziehung wird zweifelsfrei das Ergebnis davon sein. Es ist wie beim kleinen Prinzen: Es ist die Zeit, die ich mit meinen Kindern verbracht habe, die Erziehung zu etwas ganz Besonderem macht. 

 

Wörter nutzen sich ab, aber die Bedeutung dahinter kann strahlen. Wörter sind nur Vehikel, die der Verständigung dienen sollen. Aber wir sind es, die Dingen ihre Bedeutung geben, daher steht es auch in unserer Macht, diese Bedeutung zu verändern, und sie in diesem Sinne zu benutzen. Es liegt an uns, dem Wort „Erziehung“ den Zauber zu geben, der darin immer schon verborgen war, und unter all dem alten Ballast das eigentliche Leuchten zu befreien.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0